Liebe Schmocks,
David Lynch ist tot. Der Filmemacher ist am Donnerstag mit 78 Jahren gestorben. Lynch ist einer meiner Lieblingsregisseure – ich habe eine zeitlang sogar seine Frisur nachgeahmt. Diese Ausgabe widme ich ihm.
Mein erster Lynch: Mulholland Drive
Der erste Film, den ich von Lynch gesehen habe, war Mulholland Drive. Der Film beginnt mit einem schweren Autounfall, bei dem eine Frau ihr Gedächtnis verliert. Sie wird von einer angehenden Schauspielerin gefunden, die in Los Angeles ihre Karriere beginnen will.
Doch bald ist nichts mehr so, wie es scheint. Dinge passieren, die man nicht versteht. Lynch lädt uns ein, mit offenen Augen durch eine merkwürdige Geschichte zu wandeln.
Es gibt Szenen, die ich bis heute nicht vergesse: Ein Mann schüttet aus Rache an seiner Ehefrau, die ihn betrügt, dickflüssige, pinke Farbe über einen Koffer voller Schmuck – diese Szene ist so ästhetisch und zugleich absurd, dass sie für mich zum Inbegriff von Lynch wurde.
Dann gibt es den schweigsamen Produzenten, der seinen Espresso auf eine Serviette ausspuckt. Eine Hexe lauert auf einem Parkplatz vor einem Diner, und ein merkwürdiges älteres Ehepaar fährt dauergrinsend nach Los Angeles. Es gibt auch noch einen Cowboy und einen blauen Schlüssel. Und am Ende ergibt das alles auch noch Sinn. Das ist das Wunder von Mulholland Drive.
Mehr Lynch: Blue Velvet und Lost Highway
Nach Mulholland Drive war ich Lynch-süchtig und saugte alles auf, was es von ihm gab. Blue Velvet und Lost Highway waren die nächsten Stationen.
Mit diesen Filmen habe ich verstanden, dass Lynch genau die Art von Kino macht, die ich liebe: Er schafft Welten, die unsere Realität übersteigen, in denen Träume und surreale Elemente sich mit der echten Welt verweben.
In Blue Velvet erkundet Lynch die Abgründe hinter der perfekten Fassade einer Kleinstadt. Alles beginnt, als ein junger Mann ein abgeschnittenes Ohr auf einem Feld findet. Er taucht in eine dunkle Welt aus Geheimnissen, Gewalt und Besessenheit ein.
Lost Highway dagegen ist ein Puzzle, das Identität, Schuld und Realität hinterfragt. Es beginnt mit einem Mann, der seine Frau des Betrugs verdächtigt. Kurz darauf ist sie tot – und plötzlich treten Figuren auf, die wie verzerrte Doppelgänger der Protagonisten wirken.
Hier passt auch eine meiner Lieblingsanekdoten über Lynch: Der Schauspieler Michael J. Anderson erzählte einmal, dass er mit Lynch im Auto eine Straße entlangfuhr. Plötzlich tauchte ein Autofahrer hinter ihnen auf und hupte ohne Grund. Lynch fuhr rechts ran und ließ den Kerl vorbei. Anderson sagte: „David, du bist netter als ich.“ Lynch drehte sich zu ihm um und sagte: „Nein, bin ich nicht. Ich will den Typen echt umbringen, aber ich habe einfach keine Zeit.“ Ein paar Jahre später drehte Lynch Lost Highway – und baute genau diese Szene in den Film. Doch anders als im echten Leben verfolgte der Protagonist den hupenden Autofahrer.
Twin Peaks: Die Serie, die alles veränderte
Als ich mit Lynchs Filmen durch war, sagte meine Mutter: „Willst du Twin Peaks schauen? Die Serie habe ich als Teenager geliebt.“ Ich konnte es kaum glauben: David Lynch hatte eine Serie gemacht? Lynch-Unlimited.
Die ersten beiden Staffeln gehören zu den besten und revolutionärsten TV-Serien, die ich je gesehen habe.
Twin Peaks beginnt mit der Leiche von Laura Palmer, der scheinbar perfekten Highschool-Schülerin in einer Kleinstadt.
FBI-Agent Dale Cooper untersucht den Fall und entdeckt eine Welt voller Geheimnisse und dunkler Abgründe hinter der idyllischen Fassade der Stadt – inklusive eines roten Raums mit schwarz-weißem Zickzack-Boden, in dem ein tanzender Mensch rückwärts spricht. Typisch Lynch.
Universal-Künstler und Träumer
Was all seine Werke eint, ist sein perfektes Gespür für Musik. Vom Song Blue Velvet in Blue Velvet, In Heaven in Eraserhead, über My Little Star in Mulholland Drive bis zum ikonischen Intro von Twin Peaks: Lynch wusste immer, wie Sound und Bild verschmelzen.
Auch Lynch selbst hat Musik gemacht – skurril und experimentell, wie seine Filme. Seine beiden Alben The Big Dream und Crazy Clown Time höre ich immer wieder gern.
Als 2017 der Dokumentarfilm The Art Life über Lynch erschien, ging ich direkt ins Kino, ohne mich über den Inhalt zu informieren. Ich dachte: eine Doku über David Lynch? Das ziehe ich mir rein. Doch beim Schauen merkte ich: Es geht überhaupt nicht um seine Filme, sondern um seine Malerei. Er malt auch noch? Ein Universal-Künstler.
Seine Bilder können sich sehen lassen, doch das Kino blieb seine stärkste Arena. Lynch war der Salvador Dalí des Films. Kein anderer hat Träume und Fantasien so perfekt auf die Leinwand gebracht.
Jetzt stelle ich mir Lynch im Himmel vor – vielleicht sitzt er dort in einem roten Raum mit schwarz-weißem Zickzack-Boden und trinkt Kaffee. Das wäre wohl sein Traum.
Hier könnt ihr David Lynchs Top-Filme schauen:
Eraserhead (1977)
Verfügbar auf: Prime Video und Apple TV (zum Leihen)
The Elephant Man (1980)
Verfügbar auf: Prime Video und Apple TV (zum Leihen)
Blue Velvet (1986)
Verfügbar auf: Apple TV (zum Leihen)
Wild at Heart (1990)
Verfügbar auf: Prime Video und Apple TV (zum Leihen)
Lost Highway (1997)
Verfügbar auf: Prime Video und Apple TV (zum Leihen)
Mulholland Drive (2001)
Verfügbar auf: Prime Video und Apple TV (zum Leihen)
Das war’s - cut!
Viel Spaß beim Schauen & bis nächste Woche.
Beste Grüße
Leo